Willkommen im Religions-Philosophischen Salon Berlin

Der Religionsphilosophische Salon Berlin. Einige Hinweise von Christian Johannes Modehn und Hartmut Wiebus am 3.2.2025. Der zweite Vorname Johannes (Modehn) wird verwendet, um Verwechslungen vorzubeugen.

1.
Der Religionsphilosophische Salon Berlin ist seit 2007 eine Initiative von Christian (Johannes, 2.Vorname!)  Modehn und Hartmut Wiebus. (Biographische Hinweise: Fußnote 1.)
 Übliche, also öffentliche Salon – Veranstaltungen fanden monatlich von 2007 – 2020 statt. Jetzt gestalten wir philosophisch – theologische Gespräche in kleinerem Kreis. Regelmäßig werden neue Beiträge als Hinweise zur philosophischen und theologischen Debatte auf unserer Website publiziert, bis jetzt sind es 1.700 Beiträge, “Hinweise” genannt, Stand 11.9.2025.

2.
 Titel und „Sache“ eines „(religions-)philosophischen Salons“ sind alles andere als verstaubt. Das Interesse an philosophischen Gesprächen und Debatten in überschaubarem Kreis, in angenehmer Atmosphäre eines Salons, ist evident. Das gilt, selbst wenn viele Interessierte beton(t)en, „Philosophie“ sei schwierig. Das ist sie vielleicht, nicht aber Philosophieren: Es ist das Lebenselement eines jeden Menschen.
 In unserem religionsphilosophischen Salon wird das möglichst eigenständige Philosophieren (kritische Nach – Denken) geübt.
 Philosophische Religionskritik gehört elementar zur Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie. Philosophische Religionskritik kann zeigen, welche Form einer vernünftigen Religion bzw. Spiritualität heute zur Lebensgestaltung gehören kann.

3.
 Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie gibt es nur im Plural, die (Religions-)Philosophien in Afrika, Asien und Lateinamerika dürfen nicht länger als „zweitrangig“ behandelt werden. In welcher Weise Religion dort zum „Opium“ wird angesichts des Elends so vieler Menschen, ist eine relevante Frage, auch angesichts der Zunahme von christlichem und muslimischem Fundamentalisten. Dringend ist die Frage: Inwieweit ist philosophisches Denken Europas eng mit dem kolonialen Denken verbunden?

4. 
In unseren Gesprächen wird oft erkannt: Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phien bieten in ihren vielfältigen Entwürfen unterschiedliche Hinweise zur Fähigkeit der Menschen, ihre engen Grenzen zu überschreiten und sich dem im Denken zu nähern, was die Tradition Gott oder Transzendenz nennt.

5.
 Uns ist es wichtig uns zu zeigen, dass Menschen im philosophischen Bedenken ihrer tieferen Lebenserfahrungen das Endliche überschreiten und das Göttliche, das Transzendente, erreichen können. Das Göttliche als das Gründende und Ewige zeigt sich dabei im Denken als bereits anwesend und dieses denkende Transzendieren ermöglichend. Die auf das Wesentliche reduzierte Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie von Kant gilt uns als wichtige Inspiration für eine heutige vernünftige (!) christliche Spiritualität.

6.
 Insofern ist Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie auch eine subjektive Form der Lebensgestaltung, d.h. eine bestimmte Weise zu denken und zu handeln.
Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie kennt keine Dogmen, sicher ist nur das eine Dogma: Umfassend selbstkritisch zu denken und alle Grenzen zu prüfen, in die wir uns selbst einsperren oder in die wir durch andere, etwa durch politische Propaganda, durch Konsum und Werbung im Neoliberalismus, eingeschlossen werden. Der Widerspruch und der Kampf gegen alle Formen des Rechtsradikalismus (AFD, FPÖ, Le Pen, usw.) und Antisemitismus muss zum Mittelpunkt nicht nur unserer, sondern der philosophischen Arbeit insgesamt werden. Es gilt, die Demokratie zu retten.

7.
 Die „Entdeckungsreisen“ der Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phien können angestoßen werden durch explizit philosophische Texte, aber auch durch Poesie und Literatur, Kunst und Musik, durch eine Phänomenologie des alltäglichen Lebens, durch die politische Analyse der vielfachen Formen von Unterdrückung, Rassismus, Fundamentalismus, Kapitalismus. Mit anderen Worten: Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie findet eigentlich immer – oft umthematisch – in allen Lebensbereichen statt.

8.
 Wo hat unser religionsphilosophischer Salon seinen „materiellen“ Ort? Als Treffpunkt, als Raum, eignet sich nicht nur eine große Wohnung oder der Nebenraum eines Cafés, sondern auch eine Kunst – Galerie. In den vergangenen 7 Jahren fanden wir in der Galerie „Fantom“ in Charlottenburg freundliche Aufnahme. Zuvor in verschiedenen Cafés. Kirchliche Räume, Gemeinderäume etwa, sind für uns keine offenen und vor allem keine öffentlichen Räume.

9. 
In unserem religionsphilosophischen Salon sind selbstverständlich Menschen aller Kulturen, aller Weltanschauungen und Philosophien und Religionen willkommen. Unser Salon ist insofern hoffentlich ein praktisches Exempel, dass es in einer Metropole – wie Berlin – Orte geben kann, die auch immer vorhandenen „Gettos“ überwinden.

10.
 Darum haben wir in jedem Jahr im Sommer Tagesausflüge gestaltet, mit jeweils 10 – 12 TeilnehmerInnen: Etwa nach Erkner (Gerhart Hauptmann Haus), Karlshorst (das deutsch-russische Museum), Jüterbog als Ort der Reformation, das ehem. Kloster Chorin, Frohnau (Buddhistisches Haus), das Dorf Lübars… Außerdem gestalteten wir kleine Feiern in privatem Rahmen anlässlich von Weihnachten. Auch ein Kreis, der sich mehrfach schon traf, um Gedichte zu lesen und zu meditieren, hat sich aus dem Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon entwickelt. Aber alle diese Initiativen waren (und sind wohl) mühsam, u.a. auch deswegen, weil letztlich die ganze Organisation von den beiden Initiatoren – ehrenamtlich selbstverständlich – geleistet wurde und wird. Das ist der Preis für eine völlige Unabhängigkeit.

11.
 Anlässlich der „Welttage der Philosophie“, in jedem Jahr im November von der UNESCO vorgeschlagen, haben wir größere Veranstaltungen mit über 60 TeilnehmerInnen im Berliner AFRIKA Haus gestaltet, etwa mit dem Theologen Prof. Wilhelm Gräb, dem Theologen Michael Bongardt. Der Berliner Philosoph Jürgen Große hat in unserem Salon über Emil Cioran gesprochen, der Philosoph Peter Bieri diskutierte im Salon über sein Buch „Wie wollen wir leben?“, die Politologin Barbara Muraca stellte ihr Buch „Gut leben“ vor, Thomas Fatheuer von der Heinrich – Böll- Stiftung vertiefte das Thema; der evangelische Pfarrer Edgar Dusdal (Karlshorst) berichtete über seine Erfahrungen in der DDR; der Theologe der niederländischen Kirche der Remonstranten, Prof. Johan Goud (Den Haag), war zweimal bei uns zur Diskussion, öfter dabei waren Dik Mook und Margriet Dijkmans-van Gunst aus Amsterdam…

12.
 Es ist uns leider deutlich, dass innerhalb der philosophischen Studiengänge an Hochschulen und Universitäten nicht im entferntesten daran gedacht wird, auch das Berufsbild eines Leiters, einer Leiterin besser „Inspiratorin“ philosophischer Salons zu entwickeln. Damit PhilosophInnen freilich ,als Salonnières arbeiten können, müsste die Kulturpolitik entsprechend handeln. Aber die interessiert sich offenbar absolut vor allem für die so genannte Hochkultur der Oper und der Theater, nicht aber für eine Form der „Basis-Philosophie“ als Möglichkeit, vor Ort unter den vielfältigen Menschen tiefere Kommunikation zu ermöglichen.
Eigentlich bräuchte es etwa in Berlin in jedem Stadtbezirk mindestens einen philosophischen Salon, besser noch ein philosophisches „Haus“ mit öffentlich zugänglicher kleiner Fach – Bibliothek , Lesezimmer, Meditations- Denk-Raum und Tee/ Kaffee-Stube.Viele leerstehenden Kirchen könnten entsprechend umgestaltet werden. Dass dort auch philosophisch – literarische Debatten oder Diskussionen zu Grundfragen der Politik, der Kunst und Musik und Spiritualität stattfinden können, ist keine Frage.

13.
 Die Bilanz: Einige wenige Interessenten außerhalb von Berlin haben die Idee des religionsphilosophischen Salons aufgegriffen. Aber wir können nicht sagen, dass etwa im kirchlichen Bereich, evangelisch wie katholisch, die Idee des freien und undogmatischen und offenen Salon-Gesprächs aufgegriffen und realisiert wurde.
Je mehr Christen aus den Kirchen austreten, um so ängstlicher und dogmatischer werden die Kirchen(führer), also auch ihre Pfarrer usw. Der Weg der Kirche in ein kulturelles Getto scheint vorgezeichnet zu sein, zumindest für die katholische Kirche. Tatsächlich haben sich über all die Jahre unserer Arbeit sehr sehr wenige “Vertreter” der großen Kirchen für unsere Initiative überhaupt interessiert. Wir haben diese Ignoranz auch als Freiheit erlebt.

14.
 Hinweis zu unseren Themen:
Eine Übersicht unserer Themen im Salon von Februar 2020 bis 2015 finden Sie hier. Die Themen von 2009 bis 2015 werden demnächst dokumentiert. Die religionsphilosophischen und religionskritischen Hinweise von Christian Modehn, publiziert auf der Website www.religionsphilosophischer-salon.de, wurden bisher mehr als 2.300.000 „angeklickt“, was immer das inhaltlich auch bedeuten mag. (Stand 3.2.2025).

15.
 Unser letztes öffentliches Salongespräch vor der Corona – Pandemie fand am Freitag, den 14.Februar 2020 , wie immer um 19 Uhr, statt, über das Thema: “Das Kalte Herz”. Mehr als ein Märchen (von Wilhelm Hauff). „Das kalte Herz“ offenbart die “imperiale Lebensweise”. 22 TeilnehmerInnen waren dabei. Leider mussten wir – wie öfter schon – acht Interessierten absagen, weil der Raum eben klein ist und nur eine überschaubare Gruppe eine Gesprächssituation ermöglicht. Aber das große Interesse, ohne jede öffentliche Werbung, allein im Internet, und ohne jede Finanzierung von außen, ist immer wieder bemerkenswert. Für einige vertiefende Hinweise zur imperialen Lebensweise: Beachten Sie diesen LINK.

Wir haben unsere philosophischen, religionsphilosophischen und theologischen Gespräche im Salon als Ausdruck der Spiritualität der freisinnigen protestantischen Remonstranten – Kirche (in Holland) verstanden. Dabei haben wir, ebenfalls der offenen, freisinnigen Theologie der Remonstranten entsprechend, keine Werbung für diese protestantische Kirche “betrieben”.

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Dieser Hinweis vom 7.2.2023 wurde am 3.2.2025 überarbeitet.

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FUßNOTE 1: 
Gründer und Initiatoren des „Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin“:

Christian (Johannes, 2. Vorname) Modehn,  1948 in Berlin (Ost) – Friedrichshagen geboren, nach dem Abitur am Goethe – Gymnasium in Berlin – Wilmersdorf, Studium der katholischen Theologie (Staatsexamen nach 6 Jahren Studium in München, und St. Augustin bei Bonn und der Philosophie (Magister Artium in München, über Hegel). Christian Modehn war einige Jahre Mitglied einer katholischen Ordensgemeinschaft.  Christian Modehn arbeitet seit 1973 immer als freier Journalist über die Themen Religionen, Kirchen und Philosophien, für Fernseh- und Radiosender der ARD, sowie früher auch für die Zeitschrift PUBLIK – FORUM: LINK, sowie auch für “Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt” (Hamburg), “Informations Catholiques Internationales” (Paris), “de bazuin” (Utrecht)  usw.. Zur Information über einige Hörfunksendungen und Fernsehdokumentationen und zu einigen Buchpublikationen: LINK.

Hartmut Wiebus, 1944 in Seehausen/Altmark geboren, hat in Berlin (F.U.) Pädagogik (Diplomarbeit über Erich Fromm) und Psychologie studiert, und vor allem als evangelischer Klinikseelsorger gearbeitet. Er hat u.a. viele unserer Themen angeregt und immer als Moderator die Gespräche begleitet.

Copyright: Christian Modehn und Hartmut Wiebus. Religionsphilosophischer Salon Berlin

Die Philippinen nennen sich katholisch. Hinweise auf die Realität, anläßlich der Buchmesse 2025

Die Philippinen sind in diesem Jahr „Ehrengast“ der Frankfurter Buchmesse.
Hinweise von Christian Modehn

1.
Wie schon zuvor, publiziert der Religionsphilosophische Salon Berlin wieder einige wesentliche Informationen über die Religionen des „Ehrengastes“ der Buchmesse: 2025 sind es die Philippinen.

Unseren philosophischen.d.h auch religionskritischen Interessen entsprechend, steht für uns die römisch – katholische Kirche der Philippinen  im Mittelpunkt.
Die Philippinen sind wegen ihrer Einbindung ins westliche – us-amerikanische Verteidigungssystem (gegen China) heute von herausragender Bedeutung. Seit 1947 haben die USA für 99 Jahre Hoheitsrechte über 23 Militärstützpunkte…
Ende des 19. Jahrhunderts war die Befreiungsbewegung vom Kolonialherrscher Spanien erfolgreich, nach dem Spanisch – us-amerikanischen Krieg wurden die Philippinen wieder Kolonie, diesmal war der Herrscher die USA. Erst 1946 wurden die Philippinen ein selbständiger Staat.

2.
Die politische Kultur der Philippinen, auch von NGOs gründlich dokumentiert, gilt als sehr schwach: Es besteht eine „unvollständige Demokratie“; beim Freiheitsstatus kann nur das Prädikat “teilweise frei“ genannt werden; für die Pressefreiheit ist es „schwierig“; die Korruption kann als „umfassend“ bezeichnet werden: Im weltweiten Rang stehen dabei die Philippinen auf Platz 114 von 181 Staaten. Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unterhalb der „Armutsgrenze“, jeder 10. Bewohner ist dem Hunger bzw. Verhungern ausgesetzt. „Die Wohlhabenden, die etwa 0,01 Prozent der Bevölkerung ausmachen, kontrollieren 46 Prozent des gesamten Reichtums der Philippinen, sagen einige Analysten. Man kann sich dessen nicht sicher sein, da ein Großteil des Reichtums der Elite im In- und Ausland versteckt ist, die Vermögenswerte zu niedrig angegeben werden und die Steuerzahlungen gegen Null gehen. Der Mittelstand und die Arbeiter zahlen die Steuern.” Quelle: LINK
Mindestens 10 Millionen Filipinos und Filipinas arbeiten ständig im Ausland. Sie wandern aus, um der Armut zu entgehen, mit den „Rücküberweisungen“ ihres Lohns unterstützen sie ihre Familien „zu Hause“. Die meisten Filipinos und Filipinas sind in den sogenannten „3D Jobs“ (= „dirty, dangerous und difficult“) tätig.

3.

Die gesetzliche Trennung von Staat und katholischer Kirche steht auf dem Papier, ist aber keine Realität. Der Klerus hat so genannte katholische Werte (gegen Freimaurer, gegen Ehescheidung usw.) politisch durchgesetzt.
Die Philippinen sind – statistisch gesehen – das einzige katholische Land Asiens. Für die globale Kirchenpolitik und neue „Missionsstrategien“ des Vatikans sind die Philippinen wichtig. Viele philippinische Priester arbeiten auch in Europa als „Missionare“, ersetzen dort den greisen europäischen Klerus in den „schrumpfenden“ Gemeinden.
Seit mindestens 50 Jahren ist die katholische Kirche auf den Philippinen explizit zerrissen zwischen der Akzeptanz traditioneller volkstümlicher Kulte und eines spirituell motivierten Protestes mit gelegentlicher Rebellion gegen das politische Unrechts – Regime. Der aus dem theologisch begründeten Protest folgende soziale Einsatz einiger Katholiken für die Millionen vom System Arm-Gemachten wirkt im ganzen eher bescheiden angesichts des himmelschreienden sozialen Unrechts in diesem Staat und seiner Regierung. Mit “Spenden“ kirchlicher Hilfswerke ist umfassende Gerechtigkeit, wie überall, nicht zu schaffen.

4.
Etwa 83 Prozent der Bevölkerung nennen sich römisch – katholisch. 4 Prozent nennen sich Protestanten, etwa 3 Prozent gehören der unabhängigen philippinischen Kirche an, gegründet 1902 von Gregorio Aglipay… … Etwa 4 Prozent der Bevölkerung sind Muslims, sie leben vor allem auf der Insel Mindanao, auch dort kommt es immer wieder zu religiös wie sozial bedingten heftigen Auseinandersetzungen.

5.
Zur Missionsgeschichte in Abhängigkeit vom Kolonialherren:
Die ersten spanischen Missionare waren Augustiner, sie kamen 1566 mit den Eroberern ins Land, es folgten Jahre später Franziskaner, Jesuiten, Dominikaner. Eine Ausnahmegestalt: Erster Bischof von Manila wurde der Dominikaner Domingo de Salazar, er klagte öffentlich die spanischen Kolonialherren an, er verbot seinen Priestern, diesen Leuten die Absolution in der Beichte zu erteilen und die Kommunion zu reichen. Der berühmte Bischof Bartholomé de las Casas in Santo Domingo bzw. Mexiko war sein Vorbild.(Quelle. Adorable Castillo, in „Reflexions“, 16. Juli 2021, www.cicm-mission.org)
Im 19. Jahrhundert setzten sich einige philippinische Priester (oft „Mestizen“) gegen die Übermacht der spanischen Kolonialherrscher ein: Diese Initiative nannte sich „Säkularisierungsbewegung“, wichtig war für sie die Gleichberechtigung von Filipinos und Spaniern sowie die Einschränkung der Macht der spanischen Ordensgemeinschaften. Einer der wichtigen Protagonisten war der philippinische Priester Pedro Pelaez (1812-1863)Ein weithin unbekanntes Thema in Europa.

6.
Mit den spanischen Kolonialherren wurde die katholische Volksreligion verbreitet und im Laufe der immer oberflächlichen „Evangelisierung“ mit einheimischen religiösen Kulten vermischt. Millionen fromme Katholiken besuchen auch heute, 2025, die Kirche von Quiapo, um Jesus als den „schwarzen Nazarener“ zu verehren. Millionen lieben über alle Maßen das „Santo Nino“, das Jesus – Kind, etwa von Cebu: Dort wird eine wundertätige Figur, die angeblich 1521 vom spanischen Eroberer Magellan ins Land gebracht wurde, der massenhaften Verehrung feilgeboten.
Besonders irritierend sind die sich katholisch nennenden Gebräuche im Umfeld der Wochen vor Ostern, zumal am Karfreitag. Da peitschen sich hunderte von Filipinos ihre Rücken mit Bambusruten blutig. Sie meinen, dadurch von Sünden befreit zu werden. Aufwendig inszenierte Kreuzigungen auf freiem Feld sind noch übliche „Frömmigkeits – Beweise“, auch als Touristen – Attraktionen, „bei denen sich Freiwillige tatsächlich mit bis zu acht Zentimeter langen Nägeln durch Hände und Füße an ein Holzkreuz schlagen lassen“, berichtet die katholische Herder-Korrespondenz in Heft 6/2019. Es müssten endlich kirchlich unabhängige Psychologen und Soziologen diese religiösen Verirrungen untersuchen: Etwa den Zusammenhang von sozialem Elend und der Sehnsucht nach Erlösung durch schmerzhafte und blutige Selbstbestrafung. Die sich katholisch nennende Volksreligion wird auch von katholischen Theologen kritisiert, aber sie können nicht viel bewirken zugunsten einer vernünftigen religiösen Besinnung. Volksreligion widersetzt sich der kritischen Vernunft. Und Volksreligion wurde von dem argentinischen Papst Franziskus hoch gelobt und selbst praktiziert, man denke an den Kult „Maria Knotenlöserin“.…

7.
Die Priester werden immer noch sehr hoch geschätzt, sie stehen an der Spitze der sozialen Hierarchie, wohl auch deswegen werden immer noch viele junge Filipinos Priester. Priesterwerden ist in asiatischen Ländern (Indien, Indonesien) sicher auch ein Karrieresprung, da wird das Zölibatsgesetz irgendwie in Kauf genommen… Dazu gehört auch: Wegen des höchsten Ansehens des Klerus wird sexueller Missbrauch durch Priester von den Bischöfen meist übersehen, wie der katholische Nachrichten ADEXTRA in Paris am 30.1.2025 berichtet. Quelle: LINK
Eine angesehene Ausnahmegestalt ist der irische Priester Shaw Cullen, der sich vor allem für den Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung einsetzt. Quelle: LINK , siehe auch die und Hinweise auf Cullen Bücher: LINK

8.
Die Begeisterung für katholische Führergestalten ist immer noch groß: Papstbesuche werden äußerst exzessiv gefeiert: Zur Abschlussmesse von Papst Franziskus in Manila im Jahr 2015 versammelten sich tatsächlich etwa sechs Millionen Menschen. Quelle: LINK.  Diese riesig – große öffentliche Messe mit Papst Franziskus im Januar 2015 fand in einem nach dem Freimaurer José Rizal (1869 -1896, erschossen im Freiheitskampf) benannten großen Park in Manila statt. Rizal übte heftigste Kritik an der Korruption und dem Landraub wie auch Kritik an der Kirche als einer Stütze der spanischen Herrschaft, vor allem sein Roman „Noli me tangere“ (1887) ist wichtig, er war wohl eine Inspiration für die philippinische Unabhängigkeitsbewegung.
Und es ist sehr „pikant“, möchte man sagen, dass in dem Park der Papst-Messe 2015 eine Infotafel angebracht ist: der erste Staatspräsidenten Emilio Aguinaldo (er regierte nur einige Wochen 1899) bezieht sich dabei auf den Kampf gegen die Spanier, der Text: „Die erfolgreiche Revolution von 1896 war von Freimaurern inspiriert …, und ich wage sogar zu sagen, dass die erste Republik … in erster Linie dem Freimaurertum und den Freimaurern zu verdanken war.“Quelle:  LINK  Und es ist wieder bezeichnend: Heute verbietet die katholische Kirche erneut Katholiken die Mitgliedschaft in einer Freimaurerloge: Quelle: LINK . Und vor kurzem, September 2025, wurde ein philippinischer Augustiner-Priester suspendiert, weil er es wagte, einen Freimaurergedenkstein zu segnen, Quelle. LINK

9.
Gäbe es eine wirkliche Trennung von Kirche und Staat auf den Philippinen, könnte sich die katholische Hierarchie nicht mehr politisch durchsetzen. Neben dem Vatikan sind die Philippinen der einzige Staat weltweit, der das Recht auf Scheidung ausschließt. So werden Frauen und Kinder gesetzlich nicht vor vielfachem Leid geschützt. Aber das wird wohl kirchlicherseits akzeptiert…

10.
Die “interessanteste” „Erfindung“ im Katholizismus der Philippinen in den letzten Jahre ist sicher die katholische, aber ökumenisch offene charismatische Bewegung mit dem Titel „El Shaddai“ (eine Bezeichnung für Gott aus dem Alten Testament mit der Bedeutung „Allmächtiger Gott“). Gegründet 1984 von dem katholischen Laien Mike Verde (geb. 1939), der sehr wohlhabend und als Makler tätig ist und auch über eine einflußreiche Radio- und Fernsehstation verfügt. Und so seine persönliche Botschaft vom Wirken des heiligen Geistes verbreitet. Diese charismatische Bewegung hat mindestens 3 Millionen Mitglieder. In ihrer freien Auslegung der Bibel ist die Tendenz vorherrschend, Reichtum für jeden Frommen zu versprechen, sofern er zum Spenden bereit ist, dies wird als als Ausdruck der Erlösung gedeutet. Wikipedia schreibt: „Sein Predigtstil unterscheidet sich nicht von dem vom Wohlstandsevangelium geprägter Pfingstprediger. Er verspricht allen Gottes finanziellen und materiellen Segen, sofern sie treu an den Gottesdiensten teilnehmen, den Zehnten und andere Opfergaben entrichten und gehorchen. Zu Velardes praktischer Theologie gehört die Verwendung bestimmter unbelebter Gegenstände wie Taschentücher, Sparbücher und Regenschirme, die während des Gottesdienstes hochgehalten werden.“ Google Übersetzung von: LINK
„El Shaddai“ findet immer wieder mal Widerspruch von offizieller katholischer Seite. Aber einige Millionen Fromme und eher Wohlhabende sind mit EL Shaddai verbunden, auch außerhalb der Philippinen. Das können die Bischöfe nicht ignorieren. Sehr fromm Erscheinende sind angesehener als republikanisch gesinnte Freimaurer… Der für neue, sich „geistlich“ nennende Bewegungen begeisterte polnische Papst Johannes Paul II. hat dieser “El Shaddai” seinen „apostolischen Segen“ erteilt. Diese konservativ – fromme Gemeinschaft, manche sagen Sekte, setzte sich 2022 für den Sohn des früheren Diktators und Milliardärs Ferdinand Marcos, also für Bongbong Marcos, als Präsidentschaftskandidaten ein. Mit erfolg! Diese Gemeinschaft EL SHADDAI ist international verbreitet, auch in Europa vertreten. In Amsterdam z.B. trifft man sich“ ganz offiziell an jedem Sonntag in der katholischen “Vredeskerk“, in Berlin gibt es eine Gemeinde mit der Zentrale in dem gepflegten, schönen denkmalgeschützten Haus in der Hauptstraße 134 in Schöneberg, Tel. 030 7811483 . LINK
Einen Einblick in eine Massenveranstaltung von El Shaddai bietet. LINK.
Einige kritische Stimmen zu El Shaddai“ sind in „Reddit“ versammelt. LINK

11.
Während der Diktatur der katholischen Familie Marcos (Ferdinand Marcos beherrschte als Diktator das Land von 1972 – 1986) wurden, so Amnesty International etwa 70.000 Menschen inhaftiert, 34.000 gefoltert und 3.240 getötet. Schätzungen zufolge hat die Marcos-Familie bis zu zehn Milliarden US-Dollar Staatsvermögen an sich genommen.Quelle: LINK.
Im Februar 1986 wurde die Gewalt in der Marcos – Diktatur immer unerträglicher, 2 Millionen Menschen gingen protestierend auf die Straße, unterstützt von Kardinal Sin von Manila: Als Panzer auf die Menschen zufuhren, knieten sich die Menschen hin, mit Rosenkränzen in den Händen… Das half wohl, das Marcos Regime zu stürzen, behaupten Katholiken. Die US – Streitkräfte auf den Philippinen sorgten dafür, dass der Diktator fliehen konnte – nach Hawaii, dort starb er 1989. Rechtsextremen Diktatoren haben die „demokratischen“ USA immer schon sehr gern geholfen…

12.
Es gehört zur turbulenten, zur leidvollen Geschichte der Christen auf den Philippinen, dass sich schon seit etwa 1975 heftigster Widerstand gegen das Unrechtsregime formierte, und zwar durch einzelne Priester. Einige haben sich der Guerilla angeschlossen, etwa Pater Conrado Balweg aus dem Orden „Gesellschaft des göttlichen Wortes“ SVD, auch Steyler Missionare genannt. Auch Pater Ed de la Torre SVD gehörte zu den politisch aktiven Befreiungstheologen. Die Geschichte der philippinischen Befreiungstheologie ist meines Wissens mindestens in Deutschland weithin unbekannt. Verdienste hat in dem Zusammenhang der in Potsdam lehrende katholische Theologe und Religionswissenschaftler Johann B. Hafner: Er hatte hat sich 1984-1985 auf den Philippinen aufgehaltenen und wurde dort zur Recherche über die politisch aktiven Priester der SVD ermuntert, die sich damals dem gewaltsamen Widerstand gegen das Regime Ferdinand Marcos (1965-1986) angeschlossen hatten.
Siehe auch LINK zur Studie Hafner von 2020: LINK

13.
Ein zusammenfassendes Schlusswort zu diesen noch viel zu knappen Hinweisen kann nur zeigen: Die katholische Kirche auf den Philippinen schwankt, was den hohen Klerus angeht, hin und her zwischen einer Staatsnähe zu umstrittenen Politikern und einer Unterstützung einiger Ordensfrauen und Priester, die sich der sozialen Gerechtigkeit in der PRAXIS verschrieben haben.

14.
Es ist eines dieser typischen Paradoxe der Philippinen: 2022 wurde ausgerechnet der Sohn mit dem Vornamen Bongbong des verhassten Multimilliardärs und Diktators Marcos, Staatspräsident. Und ausgerechnet wurde 2022 auch die Tochter des ebenso verhaßten Präsidenten Rodrigo Duterte (Präsident 2016-2022) Vize-Präsidentin. In diesen Fällen tut die Kirchenführung so, als sei sie völlig demokratisch gesinnt und respektiere großzügig die „demokratische“ Wahl, die Hierarchie beruft sich dann gern aufs„Gemeinwohl“, um diesen neuen Machthabern zuzustimmen. Seinen Wahlsieg hat BongBong, der Sohn des Diktators, mit den Mitteln der neuen sozialen „Netzwerke“ erlangt; was bei den vielen Millionen Jugendlichen dort leicht geht. Quelle: LINK

Papst Franziskus hat dem Marcus junior – Präsidenten Bongbong am 30. Juni 2022 zur Wahl gratuliert. Quelle: LINK

Was sollen die kritischen Katholiken und ihre Priester dazu noch sagen? Wieder einmal siegt im Vatikan der Geist der Diplomatie über die Verpflichtung zur kritischen, prophetischen Rede. Wahrscheinlich ist ein Papst auch deswegen immer nicht nur „geistliches Oberhaupt“, sondern auch Alleinherrscher des „Heiligen Stuhls“, der Vatikanstadt, um sich solche globalen politischen Stellungnahmen erlauben zu können. Wahrscheinlich sichert der Papst mit diesen Glückwünschen, wie immer schon bei den Päpsten, den Erhalt der katholischen Privat – Schulen und sonstiger kirchlicher Privilegien. Aber das ist anderes Thema, das zu „Sinn und Unsinn des Papsttums“ führt.

15.
Ein Schlusswort: Es ist bezeichnend und durchaus typisch: In einem Staat, in die große Mehrheit der Einwohner sich katholisch nennt, also getauft sind, dass also dort seit Beginn der Kolonialherrschaft eher chaotische politische und soziale Verhältnisse herrschen. Eine Demokratie, die den Namen verdient, haben die Philippinen nie erlebt. Und wir wissen: Dieser Missstand hat entscheidend auch mit der Übermacht des Katholizismus zu tun, für den der dogmatische Wille der Hierarchie stets wichtiger ist als die humanen Weisungen des Evangeliums Jesu von Nazareth. Man verehrt auf infantil – brutale Weise auf den Philippinen – wie in vielen Ländern des katholischen Lateinamerika – eine Christus-Ideologie. Dazu gehört: Die Menschenrechte gelten dieser Kirche wie überall nicht als völlig gleichwertig wie die uralten Dogmen. Solange dieser religiöse Wahn fortbesteht, werden auch die chaotischen, menschenunwürdigen Verhältnisse auf den Philippinen fortbestehen. Man darf wohl sagen: Diese Gestalt des offiziellen populären Katholizismus ist spätestens heute eine Schande. Trösten können sich die verblieben kritischen, d.h. vernünftigen Katholiken dann noch mit dem klaren sozial – politischen Engagement einiger Nonnen und Priester dort. Für sie sind die Menschlichkeit, die Gerechtigkeit für alle wichtiger als die dogmatischen Lehren und sexualethischen Weisungen von vorgestern. Werden theologische, religionswissenschaftliche, religions-kritische Bücher von philippinischen AutorInnen auf der Buchmesse in Frankfurt diskutiert oder wenigstens erwähnt? Eher sehr unwahrscheinlich…

16.

Sehr wichtig und lesenswert ist die politisch – theologische Analyse des katholischen philippinischen Theologen Pater Jaazeal Jakosalem aus dem Orden der Augustiner-Rekollekten. LINK.  Der Theologe nennt unter drei religiösen Gemeinschaften, die 2022 explizit auch die Wahl von Marcos junior zum Präsidenten untertsützten: “Es gab drei große religiöse Institutionen, die die Kandidatur von Ferdinand Marcos Jr. offiziell unterstützten: Dazu gehört: El Shaddai Charismatic Movement – ein katholischer Zweig der Charismatischen Bewegung, der von dem umstrittenen
Evangelisten Mike Velarde gegründet wurde. Der Gründer unterstützte die damaligen Kandidaturen von Ferdinand Marcos Jr. als
Präsident und Sara Duterte als Vizepräsidentin.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

 

Wird Papst Leo den Krieg des Diktators Trump gegen seine Heimatstadt Chicago öffentlich verurteilen?

Die 29. unserer „Unerhörten Fragen“: Von Christian Modehn am 9.9.2025

Unerhörte Fragen sind unerhört: Weil sie kaum jemand hören will. Will sie frech, aber wahr sind. CM. Und die “unerhörten Fragen” beziehen sich immer auch auf Religionskritik: Eine Hauptbeschäftigung der Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie. 

1.
Papst Leo XIV. ist bekanntlich in Chicago als Robert Prevost geboren, vor genau 70 Jahren, am 14. September 1955. Wird er seine Heimatstadt retten können vor dem angekündigten Eingreifen der „Nationalgarde“ in Chicago? Wird er die bedrohten Menschen dort verteidigen? Militärs will der Diktator Trump alsbald in diese von Demokraten regierte Stadt senden. Denn er hat sein Verteidigungsministerium jetzt sehr treffend und, endlich mal ehrlich für die ganze (!) US – Geschichte, in „Kriegsministerium“ um-benannt. Jetzt erklärt der Diktator Trump den von Demokraten, also demokratisch, regierten US – Städten den Krieg. Ein Auftakt zum Bürgerkrieg? Nicht unwahrscheinlich bei einem Diktator, der, wie seine Fans, ideologisch nur ein Nihilist und ein „Dealer“ ist.

2.
Aber ist Papst Leo überhaupt in der Lage, seinen „Präsidenten“ öffentlich zu rügen, ihn zu verurteilen, ihn als Kriegstreiber zu bezeichnen? Wird Papst Leo sich explizit und deutlich, für alle wahrnehmbar, auf die Seiten der Demokraten in Chicago stellen?

3.
Wer auch nur ansatzweise etwas von der Diplomatie und der Politik des Papsttums verstanden hat und vor allem jetzt auch von der äußerst behutsamen und sehr ängstlichen Haltung dieses Papstes weiß, der führend im AugustinerOrden  ist und ständig in den Gedanken des antiken Theologen Augustinus denkt, und ihn lobt… (gestorben 430), der wird sich keine Hoffnung machen, dass der Chicagoer Bürger Prevost für seine Landsleute öffentlich und laut eintritt und den Diktator verurteilt.

4.
Es muss ein Wunder geschehen, dass ein von der Theologie des antiken Theologen Augustins geprägter Papst etwas Bahnbrechendes, Mutiges, wenigstens Wegweisende zugunsten der Menschenrechte etc. sagt. Aber als Papst weiß er: Allzu sehr darf er die Demokratie von anderen nicht fordern, wo doch die katholische Kirche als Institution sich sogar offiziell rühmt, KEINE Demokratie zu sein. Das sind die Zwänge der Bindung an uralte, verkalkte Traditionen…Die kann man letztlich nur überwinden, wenn man aufs Papsttum verzichtet, wie der Augustiner Pater Martin Luther OSA vor 500 Jahren sehr richtig sah.
Aber: Das ist totale Illusion. Bestenfalls Thema für eine unerhörte Frage Nr. 56.676 im Jahr 2120, falls dann Gottes Schöpfung, UNSERE gemeinsame, eigentlich schöne Erde, noch besteht, aber: eher unwahrscheinlich..

5.
Aber:  Vielleicht fährt Papst Leo im Umfeld seines Geburtstages in seine Heimatstadt und stellt sich den Nationalgarden leibhaftig entgegen. Ein Museum zu Ehren des Herrn Prevost haben die frommen Leute in Chicago schon eingerichtet, soll der Papst doch sein Museum einweihen.. Bisher hat Leo XIV. – wie alle vor ihm, Papst Franziskus war vielleicht ein bißchen anders – nur sehr zurückhaltend seine politischen „Besorgnisse“ geäußert oder die üblichen Mahnungen (BlaBla üblicherweise von Kennern genannt) daher gesagt oder hilflos zu Bittgebeten aufgefordert: Ja, ja, der liebe Gott im hohen Himmel wird es schon richten, weil sogar die Christen, die Katholiken, zu schwach, zum wirksamen Protest zu blöd und zu unkritisch sind…

6.
Aber, wenn Papst Leo als Chicagoer und US Bürger sich doch aufrafft und den Diktator Trump öffentlich einen Diktator nennt, der bitte sofort die Militärs aus Chicago und allen anderen US – demokratischen Städten abziehen soll, dann könnten Leo und die schrumpfende noch demokratisch verbliebene Welt erleben, wie dieser Trump mal so heftig rumtobt und dabei die katholische Kirche und den Papst verurteilt. Etwas Besseres könnte dem Papst und dieser Kirche nicht geschehen. Eine Ehre ist es doch, von einem Diktator verurteilt zu werden.

7.
Aber ich weiß: Papst Pius XII. hat deswegen Hitler nicht sehr deutlich verurteilt oder Hitler als Katholiken exkommuniziert, weil er als Papst “seine” Kirche (immer gemeint: die klerikale Organisation !) retten wollte, die Rettung der Juden war dann zweitrangig… So wird es bei Leo – ewigen vatikanischen Zwängen entsprechend – wohl auch sein: Leise weinend wird er etwas widersprechen, den lieben Gott um Hilfe bitten, Augustinus zitieren, und: das war es. Und der Diktator hat gesiegt. Ein Schande.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer- Salon.de

Heilige Knochen und Verehrung heiliger Leichen: Die katholische Kirche ist auch heute vom Aberglauben bestimmt.

Hinweise zum Reliquienkult
Von Christian Modehn am 6.9.2025

1.
Ein Jugendlicher wird von Papst Leo XIV. heilig gesprochen: Am 7. September 2025 wird der Italiener Carlo Acutis, 2006 im Alter von 15 Jahren gestorben, nicht nur als Vorbild empfohlen. Er kann nun, als Heiliger, so die katholische Lehre, als Fürsprecher bei Gott angefleht werden. Genauso wichtig: Die Leiche des Jugendlichen Carlo darf, mit Silikon hübsch – frisch hergerichtet und frisiert, in einem Sarkophag aus Glas, wie eine steife Puppe ruhend, bewundert werden: Das schenkt der Kirche sicher reichlich Spenden der frommen Seelen. Details zum Leben dieses nun als „Cyber-Apostel“ propagierten Jugendlichen Carlo kann man im Internet finden, kritische Hinweise sogar bei katholisch.de LINK

Und sehr viel bessere, ausführlichere und kritische Hinweise zu Carlo Acutis bietet der Theologe und Publizist Michael Meier, Zürich, LINK

2.
Uns geht es hier um Grundsätzliches: Es geht darum zu begreifen, dass der Katholizismus auch im 21. Jahrhundert mittelalterlicher oder sogar antiquer Frömmigkeit verpflichtet ist. Nicht im entferntesten denken die Kirchenführer, etwa der Papst, daran, dieses Mittelalter aus der Kirchen zu verabschieden. Über den Ursprung des Reliquienkultes: Fußnote 1:

3.
Der katholische Hochschätzung einbalsamierter Leichen besteht also nach wie vor. Es ist etwa auch der Kult um den im offenen Sarg liegenden, hoch umstrittenen Scharlatan, den italienischen Heiligen Pater Pio, LINK.
Oder es ist der Kult, der sich mit Knochenresten oder bloß mit Herzen, „Reliquien“ genannt, von so genannten Heiligen begnügt. Der 2024 verstorbene Prälat Ewald Nacke, Mitarbeiter der päpstlichen Nuntiatur in Berlin, sagte mir 2004 in einem Interview für mein Radiofeature im RBB (Sendedatum 21.11.2004): “Es gibt etwa Reliquien von Mutter Theresa, zum Beispiel Tropfen ihres Blutes, die auf einem Kleidungsstück dann erhalten sind.“ Und dieses Kleidungsstückchen gilt dann als Reliquie. In Rom wurden sogar Blut-Reliquien des seligen Papstes Johannes Paul II. ausgestellt. LINK:

Selbst Papst Franziskus sorgte  dafür, dass der Glassarg des heiligen Scharlatans Padre Pio ausgerechnet im Petersdom 2016 ausgestellt wurde: LINK 

Wer Fotos der sichtbaren heiligen Leiche Padre Pios sehen will, etwa: LINK.

Die Verehrung der angeblichen Überreste der Heiligen Drei Könige im Kölner Dom wurde z.B. den jungen Leuten beim Weltjugendtag in Köln nahegelegt. Im großen und ganzen ist der Kult um tote heilige Leiber oder fragmentarische Reliquien bzw. Reliquienfetzen ein einträgliches Geschäft, etwa in Trier, wenn da gelegentlich der – angeblich- heilige Rock, die Tunica, Jesu von Nazareth, ausgestellt, bestaunt und verehrt werden kann. Fußnote 2

4.
Das sture Festhalten am Reliquienkult und der Verehrung toter Körper durch die katholische Kirch hat natürlich auch finanzielle Gründe, ist aber vor allem Ausdruck einer Volksfrömmigkeit, die den Aberglauben der einfachen, schlicht denkenden Gläubigen nur fördert. Dumme Leute glauben gern, dürfte man sagen… Das unbeirrte Festhalten am Reliquienkult ist entschieden Ausdruck einer Ignoranz der katholischen Kirchenführung und ihrer Theologen, die unbedingt mittelalterlich bleiben will (anders könnte sie auch das Papsttum gar nicht verteidigen und beibehalten, denn kein vernünftiger Christ glaubt, dass Jesus auch nur im entferntesten ans Papsttum dachte). Die Ignoranz betrifft auch die Verachtung philosophischer Einsichten zum Reliquienkult etwa durch Philosophen wie Kant und Hegel, sie haben gezeigt: Der Reliquienkult ist bester Ausdruck einer total veräußerlichten katholischen Frrömmigkeit. Zu Kant: Link:     Zu Hegel, LINK:       Hegel betont in seinen „Vorlesungen über die Weltgeschichte“, (Band IV, Die germanische Welt, Meiner Verlag, 1968, S. 826) wie durch den„Reliquiendienst“ „eine förmliche Auferstehung der Toten erfolgte in den Zeiten des Mittelalters: Jeder fromme Christ wollte im Besitz solcher heiligen irdischen Überreste sein… Das Vermittelnde zwischen Gott und dem Menschen ist also etwas Äußerliches (die Reliquie).“

5.
Der katholische Kirchenhistoriker Prof.Arnold Angenendt (Münster) schreibt in seiner großen Studie „Heilige und Reliquien“, C.H. Beck Verlag, 1997, S. 264 im Zusammenhang der Reliquienkritik durch Immanuel Kant diese bemerkenswerten Worte: „Des Heiligen -und Reliquienkultes begann man sich jetzt zu schämen; er war zu dumm zugleich ekelhaft“.

6.
Diese Worte möchte man dem Papst (und allen für dumm gehaltenen Katholiken) zurufen, wenn er am 7. September 2025 einen Menschen zum verehrungswürdigen Heiligen erklärt und die Begeisterung für einen hübsch gemachten Leichnams empfiehlt: „Des Heiligen-und Reliquienkultes begann man sich jetzt zu schämen; er war zu dumm zugleich ekelhaft“.   Aber diese Hoffnung auf Vernunft im Katholizismus (man könnte auch sagen „Hoffnung auf heiligen Geist“) hat fast niemand mehr für den Katholizismus (von der Orthodoxie und den Evangelikalen ganz zu schweigen).

7.
Diese Heiligsprechung und die damit verbundene Zurschaustellung einer hübsch frisierten jugendlichen Leiche sind ein neuer Tiefpunkt in der spirituellen Entwicklung des Katholizismus. Aber die Reise “heiliger Knochen” durch die weite Welt geht weiter: In der kommenden Woche (15. und 16. September 2025) weilen gewisse Körperteile der heiligen Theresa von Lisieux – in einem prächtigen Reliquienschrein – auf ihrer Tournee durch Deutschland in Berlin und Frankfurt/Oder. In einer säkularen und eher atheistischen Umgebung wird also der Aberglaube ganz offiziell offenbar mit bischöflicher Zustimmung verbreitet. Noch einmal Kant in leichter Aktualisierung: “Des Heiligen-und Reliquienkultes beginnt man sich in der römisch-katholischen Kirche leider NICHT zu schämen; obwohl er zu dumm zugleich zu ekelhaft ist. Vielleicht ist die Kirchenführung selbst zu dumm, was ihren Kult mit heiligen Knochen und hübsch frisierten Leichen angeht”…

Fußnote 1:
Schon im Jahre 167 begannen z.B. die ersten Christen, Reste und Überbleibsel ihres hoch geschätzten Heiligen Polykarp zu sammeln; sie wurden wie “Edelsteine verehrt”, heisst es in einem Brief aus dieser Zeit. Seit dem 2. Jahrhundert gibt es den christlichen Reliquienkult, er hat im Hochmittelalter seine Blüte erlebt; bis heute prägt er die Frömmigkeit der katholischen Kirche.Der Kult der toten Gebeine hatte sich längst zum internationalen Handel entwickelt, anders können seriöse Historiker dieses Phänomen nicht beschreiben! LINK https://www.kath.ch/newsd/handel-mit-heiligen-ueberbleibseln-boomt-obwohl-die-kirche-dies-streng-verbietet/

Fußnote 2:
Wir weisen auf eine heute wenig beachtete Entwicklung rund um den Kult des “Heiligen Rock” hin: Im Jahr 1844 gab es eine große Wallfahrt zum “Heiligen Rock” nach Trier mit einer halben Million Pilger. Gegen die dort offenkundige  Veräusserlichung des Glaubens protestierte Johannes Ronge, ein ursprünglich römisch – katholischer Priester, der ein Jahr zuvor wegen seiner Kirchenkritik als römisch -katholischer Priester suspendiert wurde. Ronge kritisierte 1844 den Kult um dieses Stück Stoff als “Götzenfest”, was ihm vielerlei Anfeindungen und Verfolgungen einbrachte. Ronge stand dann lange Jahre an der Spitze der neu gegrüpndeten “Deutsch – katholischen Kirche”, die viele tausend Mitglieder zählte, sozial sehr aktiv war, dogmatisch aber freisinnig blieb.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Religiöse Giftmischer heute

Friedrich Nietzsche über die Propagandisten „überirdischer Hoffnungen“ – aktuell interpretiert

Ein Hinweis von Christian Modehn am 4.9.2025

1.
Das Wort „Giftmischer“ werden sich Religionskritiker und Verteidiger von Demokratie und Menschenrechten einprägen, selbst wenn es von Friedrich Nietzsche stammt: In der Vorrede seines Buches „Also sprach Zarathustra“ (§ 3) lässt Nietzsche seinen Zarathustra sagen: „Ich beschwöre euch, meine Brüder, bleibt der Erde treu (von Nietzsche kursiv) und glaubt denen nicht, welche euch von überirdischen Hoffnungen reden! Giftmischer sind sie, ob sie es wissen oder nicht.“

2.
Man muss kein Fan der literarischen und philosophischen Arbeiten Nietzsches sein, ich bin es auch nicht, um dem Begriff „Giftmischer” dann doch sehr treffend zu finden als Beschreibung der entscheidenden Qualität der Propagandisten „überirdischer Hoffnungen“. Dabei weiß ich, dass dieses Wort Nietzsche in seine Erörterung des „Übermenschen“ gestellt hat. Aber, ich meine, eine aktuelles Verstehen von Nietzsches Aussage kann diesen Satz aus dem ursprünglichen Kontext lösen und ihn wie einen allgemein gültigen Aphorismus betrachten. Nietzsche liebte ja sehr Aphorismen oder kurze Essays. Es ist aktuell erhellend, einzelne Worte dieser These Nietzsches näher zu betrachten.

3.
Die Propagandisten reden von „überirdischen Hoffnungen“. Dabei muss man heute nicht automatisch an religiöse oder metaphysisch begründete Hoffnungen auf ein Jenseits denken. „Überirdische Hoffnungen” sind auch die von rechten und rechtsextremen Ideologen und ihrer Parteien angezielten rückwärts gewandten Utopien, sie rühmen die Abschaffung der Demokratie und der universell geltenden Menschenrechte. Sie propagieren auch Dystopie, negative, erschreckende Zukunftsvorstellungen.

4.
Wer diese rechtsextremen Propagandisten falscher Hoffnung bekämpft und hoffentlich überwindet, der „bleibt der Erde treu“: Unsere aktuelle Nietzsche Interpretation – sozusagen gegen den Strich gebürstet, um es populär auszusagen – meint also: „Der Erde treu bleiben“ heißt: Der Welt der Menschen und der ganzen Natur mit ihrer Schönheiten und ihren Gefährdungen, dieser Welt also mit ihren Sinn stiftenden Erfahrungen und ihren menschengemachten Katastrophen verbunden bleiben, das ist: “Unserer „Erde treu bleiben.“ Und eben nicht in zerstörerischen Dystopie versinken. Die Sorge um Natur, Umwelt, Ökologie, Gerechtigkeit muss als ein “kategorischer Imperativ” angenommen werden. In diese Gedanken kann also eine ungewöhnliche, aber heute mögliche Nietzsche – Interpretation führen.

5.
Am wichtigsten ist das Urteil Nietzsches über diese Propagandisten „überirdischer Hoffnungen“: Nietzsche nennt sie sehr treffend Giftmischer. Jeder demokratisch denkende Mensch weiß heute, wo diese Giftmischer ihre Herrschaft ausüben: Und jeder und jede wird Beispiele nennen, Namen nennen: Ich denke etwa an den Patriarchen Kyrill von Moskau, er ist der russisch – orthodoxe Chefideologe Putins und heftigster Propagandist des Angriffskrieges gegen die Ukraine. Den gefallenen russischen Soldaten versprach er bezeichnenderweise den sofortigen Eintritt ins Himmelreich. Mehr „Giftmischung“ geht gar nicht. Wir haben etliche kritische Hinweise zum Putin Freund Patriarch Kyrill publiziert: LINK.

6.
Wo sind die Giftmischer in Deutschland heute? In der Lügenpropaganda der nachgewiesen in weiten Teilen rechtsextremen Partei AFD wird man fündig. Oder in konservativen Kreisen der sich christlich nennenden Parteien, die einen wahrlichen Kulturkampf einleiteten, etwa als es um die Wahl der Juristin Frauke Brosius – Gersdorf ins Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ging…. diese CDU Kreise haben ihren Kulturkampf erfolgreich bestanden…

7.
In Frankreich versuchen extrem konservative katholische Milliardäre mit ihren Massenmedien die Linie der katholischen Kirche Frankreich zu bestimmen, wir haben auf dieses in Deutschland kaum beachtete Phänomen hingewiesen: LINK.

8.
Wo sind die Giftmischer in den USA und im Umfeld des Trump – Regimes: Neben Trump und im finanzkräftigsten Hintergrund agieren Drahtzieher gegen die Demokratie und die universell geltenden Menschenrechte. Diese Giftmischer stammen vor allem aus verschiedenen Kirchen, vor allem aus evangelikalen Kreisen und aus dem finanzkräftigen reaktionären katholischen Milieu. Sie betreiben die Verfolgung von Minderheiten, von Immigranten und Homosexuellen und Transgender, „people of colour“, Flüchtlinge usw. werden schon deportiert; die Meinungsfreiheit eingeschränkt: Diese religiösen Giftmischer haben nicht nur die die Mentalitäten vergiftet, sie zerstören mit ihrem Gift Staat und Gesellschaft.

9.
Wo sind die Giftmischer in der katholischen Kirche in den USA zu suchen? Etwa in den weitgehend geheim agierenden internationalen katholischen Organisationen: Auch in den USA ist das Opus Dei eng mit den finanzkräftigen Freunden Trump verbunden. Die Theologin Prof. Hille Haker (Loyola University in Chicago) schreibt in der empfehlenswerten Zeitsxchrift “PUBLIK FORUM” (5.9.2025): „Die juristische Vereinigung `Federalist Society` wurde vom Juristen Leonard Leo gegründet, diese Gruppe ist nicht nur eine Richterschmiede, sondern auch ein Motor für die Ernennung von Richtern auf Lebenszeit. Leonhard Leo beeinflusst seit vielen Jahren das Rechtssystem. Bei ihm laufen die Fäden zusammen, und er spinnt ständig neue. Fast 30 Prozent der von Trump ernannten Richterinnen und Richter und die Wahl von drei Obersten Verfassungsrichtern gehen auf die Vorschläge der „Federalist Society“ zurück. Leonhard Leo ist nicht nur gut mit der `Koch Foundation` vernetzt, sondern auch mit dem Opus Dei, für dessen Catholic Information Center er im Vorstand sitzt. Vizepräsident Vance unterhält gute Beziehungen zu ihm. Leonhard Leos Einfluss auf die katholisch geprägte Politik und den Umbau der staatlichen Institutionen kann nicht überschätzt werden. Mithilfe der milliardenschweren Spende eines Unternehmers an ihn persönlich baut Leonhard Leo nun ein neues Netzwerk auf: »Teneo« heißt es, es soll, wie er selbst sagt, den liberalen Einfluss überall zurückdrängen: in den Medien, den Universitäten, der Unterhaltungsindustrie, im Sport und in der Politik. So wird die antiliberale, christlich-moralische Auslegung der amerikanischen Verfassung vorangetrieben und darüber hinaus die Demokratie in eine Theoautokratie verwandelt.“ LINK 

10.

Nietzsche fügt seinem Satz über die religiösen Giftmischer unmittelbar sehr Wichtiges hinzu: „Verächter des Lebens sind die Giftmischer, Absterbende und selbst Vergiftete, deren die Erde müde ist: ob sie es wissen oder nicht.“
Eine Hoffnung also formuliert hier Nietzsche: Trostvoll für Demokraten und Verteidiger der universell geltenden Menschenrechte: Diese religiösen Giftmischer sind selbst schon vergiftet von ihrem eigenen Gift. Aber für uns sind die letzten Worte Nietzsches hier leider nicht mehr als ein Wunsch.  Wollen wir hoffen, dass in diesem Falle Nietzsche recht hat.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Papst Leo XIV. kritisch wahrnehmen: Bisher nur ein frommer Wunsch!

Ein Hinweis von Christian Modehn am 2.9.2025

1.
Gibt es allmählich eine systematische, regelmäßige kritische journalistische Recherche, eine theologische und historische Forschung zu Papst Leo XIV. bzw. zum Kardinal Prevost? Diese Frage stellen wir Anfang September 2025, vier Monate, nach dem „Regierungsantritt“ Leos am 8. Mai 2025. Und wir haben den begründeten Eindruck: Nein, diese kritische Forschung zu Papst Leo XIV. gibt es nicht. Nur vereinzelt werden kurze, eher flapsige Bewertungen publiziert, auf die wir hingewiesen haben. LINK.

………

Am 8.9.2025 ergänzt: Wer Zeit und gute Nerven hat, kann die lobhudelnden Stellungnahmen von Papst Leo zu Orten reaktionär – katholischen Glaubens lesen, auf die Sainte Anne d Auray Feierlichkeiten in der Bretagne mit dem päpstlichen Sonderdelegierten, dem allseits als solchen bekanten reaktionären Kardinal Sarah, haben wir hingewiesen. Jetzt also, am 8.9.2025, der einschmeichelnde Brief des Papstes an den eigentlich und endlich aus Köln abzulösenden Kardinal RainerM. Woeli,  und eine Lobeshyme auf diese Wallfahrts – Kapelle in der Kölner Kupfergasse, Inbegriff der konservativ – naiven Volksfrömmigkeit, die der Papst als Augustiner sooooo mag. LINK Und Im Oktober 2025 wird der rektionäre Kardinal Burke aus den USA im Petersdom eine Messe nach uralter Art der Traditionalisten feiern , mit Zustimmung von Leo XIV.. LINK Der sollte doch endlich mal etwas Kritisches gegen den Dikator Trump, seinen Landsmann, sagen, melden mir Freunde aus den USA. Aber da wird vom Papst bestensfalls den amerikanischen Katholiken Nächstenliebe empfohlen, wie kürzlich in einer Videobotschaft des Papstes nach Philadelpihia.  Bloß immer nett sein, und eine “Einheit” pflegen, wie sein “Vater” Augustinus sagte….

Wir bleiben dabei: Dieser Papst Leo XIV. ist ein sehr Konservativer, der in theologischer Unentschiedenheit mal was für die Progressiven tut, aber sehr viel für die Konservativen. Ein Papst der Reformen, der notwendigen Reformation,  wird dieser Augustiner nie. Dazu sind die Augustiner, von Luthers Ketzerei immer noch verwirrt und erschüttert, viel zu wenig mutig, gar nicht wegweisend in eine vernünftige Zukunft des Christentums. Welche turbulenten Orte des sozialen Lebens hat dieser Papst in den vier Monaten seiner Herrschaft besucht? Papst Franzsikus war in dieser Zeit schon mal bei den Flüchtlingen auf Lampedusa, Leo war zwei Mal in den Gemächern von Castel Gandolfo. Zumal: Dieser Augustiener Orden hat keine Theologen, Augustiner leiten heute weltweit Pfarreien, und das wars dann weithin.. Mir sagte ein Freund aus Peru: Man glaube doch nicht, Bischof Prevost damals in Peru, heute Papst Leo, sei ein Befreiungstheologe, bloß weil er bei Überschwemmungen mit Gummistiefeln durch die Stadt gelaufen ist…

…….

2.
Unmittelbar nach „Regierungsantritt“ Leos XIV. haben wir gezeigt: Leos Denken ist von Augustinus bestimmt, Leo erinnert sozusagen permanent in seinen Predigten, Grußworten usw. an Augustinus, an seinen „Vater“, wie er sagte, als er sich als “Sohn des Augustinus“ bezeichnete. Diese Augustinus – Fixierung verheißt nichts Gutes, denn Augustin ist insgesamt ein höchst problematischer, in vielen Thesen abzulehnender Theologe.

3.
Wir können hier gar nicht alle Details zu Leo XIV. herausarbeiten. Da gibt es in dieser verrückten Welt wahrlich wichtigere, auch politische und philosophische Themen. Aber: Man lese nur Leos Predigt zur Eröffnung des Generalkapitels des Augustiner Ordens in Rom am 1.9.2025, bei der Leo in voller päpstlicher Pracht als Augustiner an der Messe teilnahm und eine Predigt hielt, die sozusagen von Augustinus – Zitaten wimmelt, abgesehen davon, dass Leo zu Beginn seiner Predigt an den nun wahrlich „bedeutenden“ Kirchenlehrer Didymus den Blinden mit einem Zitat erinnerte. Der Inhalt der Predigt wird von Vatican news treffend mit den sehr allgemeinen moralisch gefärbten Worten: „Hören, Demut, Einheit“ zusammengefasst. Es sind Ermahnungen alter Art, die der Papst da vorträgt. Man glaubt zu träumen, wenn man an all die euphorischen Worte von Journalisten und Theologen denkt, gleich nach der Papst Wahl: Er sei doch so international gesinnt, so sehr ein Freund der Armen, ein Kenner der lateinamerikanischen Befreiungstheologie, ein Freund des großen Papstes Franziskus…. Von all dem ist in dieser Predigt für einen internationalen Orden nichts zu hören. Er sagt seinen „Mitbrüdern“ nichts als fromme Erbauung uralter Art.

4.
Augustin ist bekanntlich ein Theologe des Altertums, mit einigen Zitaten aus dessen Jugendzeit versucht der Papst ihn zu „modernisieren“, was nicht gelingen kann, wenn man nur an das viel zitierte päpstliche Wort „Einheit“ denkt. Einheit im Sinne Augustins kann nur Einheit als Gehorsam gegenüber der kirchlichen Obrigkeit sein. Und Augustin verstand Einheit nur als siegreiches Endergebnis in seinem heftigen Kampf gegen die vielen angeblichen Irrlehrer seiner Umgebung. Leo sagte in seiner Predigt: „Denn was verbindet, kommt von ihm, dem heiligen Geist, aber was spaltet, kann nicht von ihm sein.“ Damit ist erneut ausgeschlossen, dass die Reformation, die der Augustiner Martin Luther einleitete und die zur begründeten Abspaltung von der total verkommenen Papstkirche führte, „nicht vom heiligen Geist“ stammt. Welch eine verheerende ökumenische Perspektive!

Die Predigt Leos am 1.9.2025:  LINK:
5.
Nur ein weiterer Hinweis: Papst Leo empfing Ende August eine hohe Auszeichnung des Augustiner Orden in den USA und er bedankte sich dafür in einer Videobotschaft von 13 Minuten. Wie Vatican-news berichtet, sagte der aus den USA stammende Papst Leo kein kritisches Wort über den Umgang mit Armen, Ausländern, Flüchtlingen etc. durch den Machthaber Trump und sein Regime. Nein, Papst Leo, milde gestimmt wie immer, rief den Orden höchst allgemein zur Nächstenliebe auf. „Durch Freundschaft, Beziehungen, Dialog und gegenseitigen Respekt können wir unsere Unterschiede überwinden und unsere wahre Identität als Schwestern und Brüder in Christus entdecken.“ Immerhin dann noch die wie üblich allgemein gehaltene Aufforderung an die Augustiner und sicher auch an die Katholiken in den USA: Als Kirche sind wir ermutigt, uns in der Kunst des Zuhörens zu erneuern – im Gebet, in der Stille, im Unterscheiden und Nachdenken. Wir haben die Möglichkeit und Verantwortung, auf den Heiligen Geist zu hören, aufeinander zu hören, auf die Stimmen der Armen und Ausgegrenzten.“ Ja, ja, wir haben die Möglichkeit…Es geht dem Papst aber nicht um eine dringende Notwendigkeit, „auf die Stimmen der Armen und Ausgegrenzten zu hören.“ Es geht ihm offenbar nicht darum, dass us-amerikanische Katholiken und mit ihnen die Augustiner zu Verteidigern der Menschenrechte werden in den sich zur Trump -Diktatur entwickelnden USA… LINK 

6.
Mit anderen Worten: Bei so viel Sanftheit und Milde ist nicht zu erwarten, dass Leo XIV. auch nur ansatzweise ein „prophetischer Papst“ wird. Unseres Erachtens war dies Papst Franziskus durchaus. Die Kardinäle wollten wohl mit der Wahl von Kardinal Prevost zu Papst Leo XIV. für Milde, Ruhe, Gelassenheit, freundliches Lächeln, EINHEIT bitte, Allgemeinheiten in politischen Fragen usw. sorgen.

7.

Man darf den begründeten Eindruck haben: Papst Leo XIV. ist überfordert angesichts der verrückten Situation dieser Welt, Rechtsextremismus, Antisemitismus, Ungleichheit, Verfall der Demokratie, zunehmende Armut im globalen Süden. usw., er ist überfordert mit seinen milden augustinischen Sprüchen. Und er ist auch überfordert, kritisch die Situation etwa der Kirche in Westeuropa wahrzunehmen: Er sieht nicht, dass diese römische Kirche, im alten Stil, immer weiter so fortgesetzt “wie immer”, nachweislich und objektiv bewiesen dem Ende entgegen geht. Die noch nachdenklichen Katholiken können die klerikale Welt, die Welt der uralten Dogmen, nicht mehr ertragen. Dabei weiß Papst Leo doch genau, dass die einst “blühenden” Provinzen des Augustinerordens in Holland, Belgien, Irland, Deutschland, USA, Kanada allmählich bestenfalls noch Altersheime sind, also vor dem Aussterben stehen. Das gilt für andere Orden auch, Zölibtsgesetze sind passé. Gott sei Dank. Das gilt auch für die Bistümer, die, wie in Deutschland und Frankreich, nur noch den “Import” von Priestern aus Polen, Nigeria, Philippinen, Indien überhaupt  noch das alte klerikale System fortsetzen können…Aber die Bischöfe und die Ordensoberen tun so, als ginge alles weiter “wie immer”…

8.

Man darf gespannt sein, mit welchen drei oder vier Augustinern der Papst alsbald in seinem Papstpalast zusammenleben wird. Hoffentlich sind einige kritische Theologen dabei, aber … sooo viele Theologen hat dieser Orden leider nicht. Aber vielleicht lädt er auch Mitglieder der Augustiner-Rekollekten, der Augustiner-Barfüßer oder der französischen Augustiner, Assumptionisten genannt, in seinen Palast ein. Denn es gibt eben nicht nur Papst Leos Augustinerorden (OSA als Abkürzung)…. von den anderen Augustinerorden spricht er nicht, ist dies seine viel besprochene augustinische EINHEIT?

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Christian Modehn: M.A. in Philosophie und Staatsexamen in kathol. Theologie, ist freier Journalist und Autor und beobachtet aus der gebotenen Distanz den Katholizismus.

Edvard Munch in Chemnitz: Die Angst wahrnehmen, ausdrücken! Und überwinden?

Über den großartigen Katalog zur Munch Ausstellung in Chemnitz
Ein Hinweis von Christian Modehn am 29.8.2025

1.
Es ist sehr treffend, dass ausgerechnet in Chemnitz, Sachsen, eine große und bedeutende Ausstellung über ANGST gestaltet wird; sie ist bis zum 2. November 2025 in den „Kunstsammlungen Chemnitz“, Theaterplatz 1, zu besichtigen. Chemnitz hat das große Glück, 2025 eine „Kulturhauptstadt Europas“ zu sein. Und der Höhepunkt ist zweifellos die große Präsentation von etwa 90 Arbeiten des norwegischen Malers Edvard Munch, etwa 50 weitere Werke heutiger Künstler führen die Erfahrungen der ANGST über Munch hinaus … und ins Nachdenken.

2.
Es ist irgendwie auch ein merkwürdiges Zusammentreffen, dass DER moderne Maler der Angst, Edvard Munch, einige Zeit (1905 und 1926) in Chemnitz lebte. Und Tatsache ist auch, dass die Menschen in Chemnitz – wie überall auf unterschiedliche Weise – spezielle Erfahrungen mit Angst haben: Im „realen Sozialismus“ der DDR die Angst der Opposition vor der Stasi. Und dies in einer Stadt, die 1953 nach Karl Marx benannt wurde, mit der monumentalen Marx-Büste bis heute im Zentrum der nun wieder Chemnitz genannten Stadt. Karl Marx hat übrigens, wissenschaftlich erwiesen, mit der Stasi (oder dem KGB) so wenig zu tun wie die Ketzerverfolgung der Kirchen mit dem Evangelium Jesu von Nazareth.

3.
Seit einigen Jahren, nach der so genanten Wende, haben demokratisch gesinnte Chemnitzer eine ganz andere Angst, Angst vor den Aggressionen der verschiedenen rechtsextremen und rassistischen Parteien, wie der AFD: Sie gilt in Sachsen ganz offiziell als „gesichert rechtsextrem“, sie kann aber weiter Demokratie zerstören…Wird aus der Wende von 1989 die Wende Richtung 1933? Dies auch in Chemnitz eine begründete Angst. Die Erinnerung an die gewalttätigen Ausschreitungen der Rechtsextremen im Herbst 2018 in Chemnitz sind hoffentlich noch allen im Gedächtnis. Ebenso wichtig aber auch der bis heute lebhafte Widerstand von Basisgruppen der mehrheitlich noch demokratisch gesinnten Bürger von Chemnitz gegen die Rechtsextremen.

4.
Erst wer diese Zusammenhänge wahrnimmt, kann seine Freude ausdrücken, dass nun, 2025, Edvard Munch nach Chemnitz zurückgekehrt ist mit 90 seiner wichtigen Werke. Wer die Ausstellung in Chemnitz nicht besuchen kann, sollte den großartigen Katalog zur Ausstellung (erschienen im Hirmer – Verlag) studieren, die Bilder betrachten und sich vor allem von den Autoren der sechs erhellenden Essays zu der Frage anregen lassen: Warum können gerade Edvard Munchs Gemälde, seine Graphiken, den Umgang mit Angst inspirieren und vielleicht aus der Angst herausführen?

5.
Zweifellos ist Edvard Munch einer der wichtigsten Maler der Moderne. Und einige seiner Arbeiten , vor allem „Der Schrei“, (1893), gehören geradezu zum „kulturellen Gedächtnis“ sehr vieler Menschen. Angst, Einsamkeit, Verlorenheit sind die Stichworte der eigenen Lebenserfahrungen, die Munch zum Ausdruck bringt. Diana Kopra betont in ihrem Beitrag: dass die Angst im Werk von Edvard Munch stets zugegen“ sei (S. 172). Und dass Munch wesentliche Bedeutung heute darin besteht, „das existentielle Zittern der Angst ausgehalten zu haben.“ Munch sagt: „Ich male nicht, was ich sehe, sondern was ich gesehen habe“ (in dem genannten Buch S. 161), also was er selbst im Leiden seiner Seele „gesehen“ hat. Und Munch ist überzeugt: Die Darstellung der ANGST ist nicht nur die Darstellung seiner eigenen ANGST, sondern sie berührt alle Menschen – in ihrer jeweiligen Lebensangst. In den 1930 Jahren sagt er: „In meiner Kunst habe ich versucht, mir das Leben und seinen Sinn zu erklären. Ich hatte auch die Absicht, anderen zu helfen, ihr eigenes Leben zu verstehen“ (zit. S. 161).

6.
Wir weisen auf den Beitrag des Psychoanalytikers und Psychiaters Borwin Bandelow hin, er hat seinem Essay den Titel gegeben: „Edvard Munch – die Angst des Genies“. Zwei wichtige Zitate:. „Seine Kunst ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Schmerz und Angst als Quelle von Kreativität genutzt werden können.“ „Nicht trotz, sondern wegen seiner zerbrechlichen Seele gilt Munch als einer der bedeutendsten Maler in die Geschichte“ (S.26).

7.
Edvard Munch war kein politischer Künstler! Seine Arbeiten zeigen in die Seele und ihre Ängste. Sind sie deswegen heute, für Chemnitz und andere Städte, Regionen, mit starker Präsenz rechtsextremer Menschen und deren Parteien, eher irrelevant? Wir meinen: Sicher nicht: Denn Munch fordert Menschen auf, die seine Kunst betrachten und nicht nur flüchtig mal hinsehen, die zerrissene und kranke Welt der eigenen Gedanken und der eigenen Seele wahrzunehmen. Und diese Situation anzuerkennen. Dann kann eine Heilung geschehen, auch eine Heilung der irrigen rechtsextremen Bindungen.
8.
Werden die rassistischen und rechtsextremen Menschen und ihre Parteien in Chemnitz und anderswo diese ihre eigene seelische Zerrissenheit und Krankheit erkennen und anerkennen und mit Hilfe von Psychotherapie bearbeiten und möglicherweise heilen? Werden diese rechtsextremen Menschen überhaupt die Kunst Edvard Munch in Chemnitz betrachten und wahrnehmen? Offene Fragen! Genauso wie die Frage: Werden die auf andere Weise von Angst geplagten demokratischen Bürger Inspirationen von Edvard Munch erhalten? Machen Munch Arbeiten Mut zum Leben, Mut zum Kämpfen für die Menschenrechte, die Demokratie? Vielleicht auch nur in der Hinsicht: Die eigenen Ängste anzunehmen und dabei, in aller reflektierten Schwäche, TROTZDEM Ja zu einem menschenwürdigen Leben für alle in einer Demokratie zu sagen… auch wenn die Feinde dieser Demokratie so stark sind und sich weigern, in eine heilende Psychotherapie ihrer verirrten Seelen einzutreten. Erst wenn auch Rechtsextreme erkennen, dass sie seelisch und geistig krank sind und Therapien brauchen, kann Demokratie gelingen. Das heißt ja nicht, dass alle, die sich in Europa Demokraten nennen (oder “Republikaner” in den USA) seelisch und geistig gesund, geschweige denn vernünftig  sind…

9.
Der ausgezeichnete Katalog bietet alle Essays auf Deutsch und auf Englisch, er hat 336 Seiten mit 170 Abbildungen in Farbe sowie eine Liste der in Chemnitz ausgestellten Werke, zudem bietet das Buch eine ausführliche Daten – Biographie zu Edvard Munch (und einen biographischen Essay).

Der Katalog zur Ausstellung:
”Edvard Munch – Angst”
: Herausgegeben von Kerstin Drechsel, Diana Kopka, Florence Thurmes, Hirmer Verlag
, 336 Seiten, 170 Abbildungen in Farbe
, Klappenbroschur, 50 Euro.

Über die MUNCH -Ausstellung in Berlin, siehe unseren Hinweis: LINK 

Über Edvard Munch, seine Spiritualität und die norweglische Staatskirche, siehe unseren Hinweis: LINK 

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

„Das Christentum ist Platonismus fürs Volk“.

Wie Augustinus das Christentum als eine Theorie etablierte und wie Papst Leo XIV. damit umgeht.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 26.8.2025

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Ein Vorwort: Wir haben schon kürzlich vor der Theologie Augustins – vor zentralen Aussagen – gewarnt. LINK 

Und weisen darauf hin, dass von Papst Leo XIV., der sich als “Sohn des heiligen Augustinus” explizit versteht, keine grundlegende Kritik an seinem angeblich so heiligen und so berühmten “Vater” zu erwarten ist und damit keine tiefgreifende Reformation der römischen Kirche, schon gar nicht ein Abschaffen des verheerenden Augustinus – Dogmas der Erbsünde, schon gar nicht eine Ökumene mit den Protestanten als “versöhnte Verschiedenheit Gleichberechtigter”. Mit anderen Worten: Das einzige, was Papst Leo XIV. ständig sagt und ständig täglich mehrfach fordert, ist die Aufforderung zum Bittgebet. Wir würden uns freuen, Positives, Konkretes, Wegweisendes, Praktisches, auch Politisches  von Leo XIV. berichten zu können, erwarten es aber eher nicht. Denn: Was sagt Leo XIV. zum Massaker in der katholischen Schule in Minneapolis: “Betet”. “Die Seelen kommen in den Himmel.” Er sagt als US Amerikaner nicht: Keine Waffen im Privatbesitz! Eigentlich sehr schwach für eine angebliche “hochgeschätzte moralische Autorität.” (siehe auch Fußnote A).  Nun hat der Provinzial der Augustiner in Italien, Pater Gabriele Pedicino, vor großen Erwartungen an Papst Leo gewarnt, “große Knalleffekte sind nicht zu erwarten”, Leo sei sanft und zurückhaltend. Der Jesuit Antonio Spadaro, ein Vertrauter von Papst Franziskus, meinte eher vieldeutig, Papst Leo XIV. kennzeichne eine “kontemplative Nüchternheit”. LINK.  Zur Einschätzung von Gabriele Pedicino: LINK   

Wir schlagen AUCH als Lektüre dringend vor: Die sehr treffende kritische Augustinus-Darstellung des Augustinus-Forschers Kurt Flasch in “Kampfplätze der Philosophie”, Vittorio Klostermann Verlag, 2008, dort die Seiten 11 -41! Ob Papst Leo XIV. und seine Augustiner dieses Buch kennen? Wir empfehlen denen die Lektüre dringend, um die großen “Begrenztheiten” (milde formuliert) dieses Heiligen aus der Spätantike, des 4. und 5. Jahrhunderts, wahrzunehmen.

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1.
„Das Christentum ist Platonismus fürs Volk.“ Ein viel diskutierter Satz Friedrich Nietzsches, notiert in der Vorrede seines Buches „Jenseits von Gut und Böse“ (1885). Ein Urteil Nietzsches, das vielen Christen Probleme bereitet: Kann denn Nietzsche den Christen und ihren Theologen Wahres sagen? Nietzsches Erkenntnis hat aber bei keinem Geringeren als dem Kirchenvater Augustinus ihre Grundlage: Darauf weist der Spezialist für antike Philosophie, Pierre Hadot (Fußnote 1) hin. Hadot bezieht sich auf Augustins Schrift „de vera religione“, einige Monate nach seiner expliziten Hinwendung zum Christentum, im Jahr 390 verfasst. Seine berühmten „Confessiones“ („Bekenntnisse“) verfasste Augustin zwischen 396 und 398. (Zu Nietzsches Identität von Christentum und Platonismus: Fußnote 2).

2. Sich von der sichtbaren Welt abwenden
Unsere Übersetzung der entscheidenden Erkenntnis Hadots: „In den Jahren, die seiner Bekehrung folgen, hat Augustin in seinem Buch „Über die wahre Religion“ den Platonismus und das Christentum konfrontiert. In seinen Augen decken sich das Wesentliche der platonischen Lehren und das Wesentliche der christlichen Lehre…In der Ethik des Platonismus lässt sich entdecken, dass die rationale und intellektuelle Seele in der Lage ist, sich der Kontemplation der Ewigkeit Gottes zu erfreuen und darin das ewige Leben zu finden. Dies ist für Augustin das Wesen des Platonismus. Dies ist für ihn aber auch das Wesen des Christentums, indem er eine Anzahl von Passagen des Neuen Testaments zitiert. Dabei stellt er die sichtbare Welt der unsichtbaren Welt gegenüber, das Fleisch dem Geist. Aber was ist denn dann der Unterschied zwischen dem Christentum und der Philosophie des Platonismus? Für Augustin besteht er in der Tatsache, dass der Platonismus nicht die Massen bekehren konnte. Der Platonismus konnte nicht die Massen abwenden von den irdischen Dingen, um sie auf die spirituellen Dinge hin zu orientieren. Während seit der Ankunft Christi die Menschen aller `Kategorien` diese christliche Lebensform angenommen haben und man so einer wahrlich Transformation der Menschheit beiwohnt. Wenn Platon auf die Erde zurückkäme, würde er (im Blick auf die Kirche) sagen: Voilà, das ist es, was ich den Massen nicht zu predigen wagte…In dieser Perspektive Augustins, hat das Christentum den selben Inhalt wie der Platonismus.
Es handelt sich imChristentum darum, dass sich der Mensch von der sichtbaren Welt abwendet, um Gott zu betrachten und die spirituelle Wirklichkeit. Einzig das Christentum konnte dafür sorgen, dass diese Lebenshaltung auch von den volkstümlichen Massen angenommen wurde.“ Soweit das entscheidende Zitat des schon erwähnten Philosophiehistorikers Pierre Hadot (S. 375, 377).
Nebenbei: Eine Erkenntnis, die auch von anderen Philosophen geteilt wird, etwa von Heinrich Niehues – Pröbsting (Fußnote 3) in „Die antike Philosophie, Frankfurt/M. 2004, S.223).

3. Die Rede von der EINHEIT und die bleibende Hierarchie
Augustin (354-430) kannte Übersetzungen (ins Lateinische) der Griechisch schreibenden so genannten neu-platonischen Philosophen, sie verstanden sich in der Nachfolge Platons. Die Philosophie des Neo-Platonikers Plotin (204 -270 n.Chr.) kannte Augustinus genau, schon in einer seiner ersten Schriften „de ordine“ (386) bezieht er sich auf Plotin. Durch Plotin kommt er zur Erkenntnis eines immateriell zu denkenden Gottes, was Augustin zur Abkehr von seinem bisherigen Glauben im Sinne der Manichäer – Kirche (einer so genannten Sekte) führte. Vor allem lernte Augustin von dem neuplatonischen Philosophen Plotin: Dass in der gesamten Wirklichkeit das Prinzip DES EINEN gilt, d.h. alles ist mit dem EINEN Grundprinzip verbunden, eine Aussage, die Augustin zur Erkenntnis der Übereinstimmung des plotinischen Prinzips mit dem Glauben an den EINEN Gott des Christentums führte. Der Gedanke der EINHEIT wird zum zentralen Wert Augustins – bis heute. Man denke an den Wahlspruch des Augustiners Papst Leo XIV.: „In illo uno unum.“ Dieser Wahlspruch des Papstes ist sozusagen eine auf Christus bezogene Variante der philosophischen Prinzips des Neo – Platonikers Plotin : „Alles Seiende ist durch durch das Eine ein Seiendes.“ (Fußnote 4)

4. Die Praxis der Glaubenden ist: Zur Messe gehen
Durch die ständigen direkten und indirekten Hinweise des Augustiners Papst Leo XIV. auf „seinen“ „Ordensvater“ Augustinus (der gar nicht der Gründer des Augustinerordens ist, sondern nur der Verfasser einer knappen Ordensregel) wird die allgemeine Aufmerksamkeit auf unser Thema verstärkt: Zusammenfassend gesagt: Augustin hat wesentliche Erkenntnisse dieses Neo-Platonismus in seine Theologie integriert, er hat also dafür gesorgt, dass zentrale Aussagen Platons Einzug fanden in die christliche Theologie … bis heute. Der Neo-Platonismus bietet sozusagen den geistigen, theologischen Rahmen für das Verstehen und Deuten des christlichen Glaubens: Dabei wurde christlicher Glauben absolut zuerst als eine geistige, seelische, also letztlich „theoretische“ Haltung der Verbundenheit mit der göttlichen Welt verstanden. Das Christentum also wurde – und wird weithin – als eine theoretische Haltung in der Lebensgestaltung verstanden, als gedankliche und gemütvolle Verbundenheit mit bestimmten, auf die Transzendenz Gottes und seiner Heiligen bezogenen Dogmen und kirchlichen Weisungen. Glauben ist also nicht zuerst und vor allem eine praktische Lebenshaltung, im Sinne eines Handelns, einer Praxis, die Nächstenliebe, Frieden und Gerechtigkeit sichtbar und strukturell spürbar verwirklicht. Natürlich braucht man dafür auch wieder eine Theorie, aber sie dient der wichtigeren Praxis. Die Weisungen Jesu von Nazareth zu dem alles entscheidenden guten, d.h. „gottgewollten“ Leben werden von der Kirchenführung zuerst und vor allem auf die Teilnahme an den sakralen Liturgien und „Gottesdiensten“ bezogen. Bekanntlich wird bis heute von katholischen Kirchenführern, Theologen und Religionssoziologen religiöse PRAXIS als Teilnahme an der Messe am Sonntag definiert. Das heißt: Wer den Glauben praktiziert, geht zur Messe! Nicht das Tun des Gerechten ist der wahre Gottesdienst. Dabei hat Jesus von Nazareth genau das Gegenteil gelehrt: Letztlich kommt es „vor Gott“ nur auf eine humane tätige Praxis der Nächstenliebe an, alles andere ist sekundär. Aber weil nur der zölibatäre Klerus die Messe, die Eucharistie gemäß Kirchen/Klerus-Gesetz leiten darf, wird auch die Messe zum Zentrum des Glaubens erklärt. Wie anders sollte denn sonst die Sonderrolle des Klerus noch aufrecht erhalten werden…

5. Frieden der Seele
Der große Augustinus- Spezialist Kurt Flasch nennt in seiner Studie „Augustin. Einführung in sein Denken“ den Autor von „de vera religione“ explizit platonisch bzw. neoplatonisch (S. 100 und 101). „Der Platoniker Augustin interessierte an Jesus nicht das historische Individuum, sondern seine unwandelbare Weisheit, die im Innern aller Menschen befragt wird“ (S. 103). Selbst wenn Augustinus und andere „Kirchenväter“ die gesamte Philosophie des Neuplatonismus nicht “total“, sozusagen eins zu eins, in die Kirchenlehre überführten, so sind doch zentrale Denkmuster und Prinzipien des Neoplatonismus bis heute selbstverständlich und üblich. Es kam, wie Pierre Hadot betont – zu entscheidenden „Verschiebungen“, „Neuakzentuierungen“ der ursprünglichen Weisungen des Evangeliums. „Die Idee des Evangeliums von der beginnenden Herrschaft des Reiches Gottes auf Erden (immer zu verstehen auch als politisch -soziale Realität, CM) „wurde ersetzt durch das platonische Ideal der Einheit des Menschen mit Gott“. Diese Einheit wurde als eine Vergöttlichung des Menschen verstanden, schreibt Pierre Hadot, und diese erreicht der Mensch durch Askese und Kontemplation. In der Sicht Augustins wird dann das christliche Leben nicht zuerst als ein Leben des konkreten, leibhaftigen Menschen verstanden, sondern eher als das Leben einer Seele. „Es handelt sich bei Augustin, dem Platoniker, darum, den Körper zu fliehen und sich einer transzendenten Welt zuzuwenden und, wenn möglich, sogar in der mystischen Erfahrung diese transzendente Realität zu erreichen.“ Für den Augustin als den Verfasser „de vera religione“: gilt: „Für ihn, von Platon bestimmt, ist die Aufmerksamkeit auf sich selbst, die Suche nach einer Leidenschaftslosigkeit, nach dem Frieden der Seele, der Abwesenheit von Sorgen … das vorrangige Ziel des spirituellen Lebens der Christen.“ (a.a.O.).

6. Immer wieder sagt Papst Leo: Bittgebete helfen
Man denke bloß nicht, dass dieses überlieferte Glaubensverständnis von Papst Leo XIV. korrigiert würde, man glaube bloß nicht, dass ein Augustiner als Papst, „Sohn des heiligen Augustinus“, wie er sich von Anbeginn seines Pontifikates nennt, daran Grundlegendes reformiert. Leo XIV. lässt in seinen Predigten und Ansprachen keinen Zweifel daran, dass der christliche Glaube zuerst und vor allem eine explizit fromme, spirituelle Haltung ist. Dafür anstelle von vielen anderen ähnlichen Zitaten der letzten Wochen nur zwei Beispiele.
Am 25.8. 2025 sagte Papst Leo den versammelten Ministrantinnen: „Liebe Ministranten, die Feier der Messe rettet uns heute!  Sie rettet die Welt heute! Sie ist das wichtigste Ereignis im Leben eines Christen und im Leben der Kirche, denn sie ist die Begegnung, in der Gott sich uns aus Liebe immer wieder schenkt. Der Christ geht nicht aus Pflichtgefühl zur Messe, sondern weil er sie unbedingt braucht; er braucht das Leben Gottes, der sich schenkt, ohne etwas dafür zu verlangen!“ Die uralte Theologie wird also von Leo XIV. eingeschärft: Praxis des Glaubens ist Besuch der Eucharistie, die nur ein Priester feiern darf.
Am 24. 8. 2025 äußerte sich Papst Leo zum Bittgebet auf schlichteste Art, Ausdruck eines theologischen Denkens, das moderne TheologInnen längst als überholt und falsch dargestellt haben. Der Papst sagte anläßlich des Staats-Feiertags der Ukraine: „Ich flehe den Herrn an, die Herzen der Menschen guten Willens zu bewegen, damit der Lärm der „Waffen verstummt und dem Dialog Platz macht, um den Weg zum Frieden zum Wohl aller zu öffnen.” Bei seinem Mittagsgebet am Sonntag auf dem Petersplatz warb der Papst erneut um weltweite Gebete für den Frieden in dem “gemarterten Land“. Man sollte die Frage stellen: Warum sagt der Papst nicht anstelle der üblichen theologischen Floskeln: Der russisch – orthodoxe Patriarch Kyrill von Moskau, Freund von Putin, sollte endlich seine Kirche im Sinne des Evangeliums des Friedens gestalten und als endlich Kriegstreiber aufhören. Aber das sagt der Papst nicht, weil er ja eines Tages die katholische Kirche mit diesen zum Teil theologisch verkalkten Orthodoxen zusammenführen will. So bleibt es also – aus kirchlichen Gründen – alles bei theologischen Floskeln, die politisch und damit faktisch belanglos sind, wenn man denn schon etwas für die Realirstät des Friedens sorgen will.

Glaubt denn der Augustiner Papst Leo XIV. im Ernst, dass sich Gott im Himmel höchst persönlich bewegen lässt und wie durch ein Wunder, wie durch einen göttlichen Blitz, für einen Sieg der ukrainischen Truppen und die hoffentlich Niederlage Russlands sorgt. Was soll denn Gott Vater im Himmel bloß machen, wo doch auch auf der anderen Seite Patriarch Kyrill ebenso inständig Gott im Himmel anfleht, ER möge doch höchst persönlich für den Sieg Putins sorgen. … Darf man, mit Verlaub gesagt, auch als Augustiner – Papst, theologisch so schlicht im 21. Jahrhundert noch über das Bittgebet denken? Nein, sollte ein Papst des 21. Jahrhunderts eigentlich nicht. Wie viele Theologen und Bischöfe werden es wagen, das laut zu sagen?
PS: Ein gewisser Witz ist es vielleicht, dass Papst Leo die aus Frankreich stammenden MinistrantInnen, also Ministranten beiderlei Geschlechts, also auch die Mädchen, aufforderte: darüber nachzudenken, doch Priester zu werden. Meinte er damit auch die Mädchen? Sicher nicht. Oder ignorierte er deren Anwesenheit? Wörtlich sagte der Papst: “Ich hoffe auch, dass ihr auf den Ruf achtet, den Jesus an euch richten könnte, ihm im Priestertum näher zu folgen.“ Es sei “ein wunderbares Leben” als Priester, der jeden Tag in seiner Mitte Jesus auf so außergewöhnliche Weise begegne und ihn der Welt schenke. “Mögt ihr nach und nach, Sonntag für Sonntag, die Schönheit, das Glück und die Notwendigkeit einer solchen Berufung entdecken”, so der Papst. „Ja, ja,“, möchte ich ergänzen, „die zölibatären Priester sind alle so furchtbar glücklich…

7.
Nur wenn man diesen Hintergrund der offiziell etablierten kirchlichen Theorie- Präferenz im „Glaubens-Verständnis“ wahrnimmt, wird unser Blick auf dieses eigentlich „sehr spezielle“ Thema relevant. Man denke daran, wie gerade die protestantische Reformation die Ideologie des Römerbriefes von Paulus in den Mittelpunkt stellte: Der Glaube – als theoretische Haltung – sei absolut entscheidend für die Rechtfertigung des Sünders … und wie diese Reformatoren den Jakobus – Brief total ablehnten, weil der Autor Jakobus die Praxis der Liebe und Gerechtigkeit in den Mittelpunkt des Glaubens stellte…Die von Jesus zentral gestellte Idee des umfassend human – heilenden Reiches Gottes gerät in den Hintergrund, in die „Zweitrangigkeit“… Die Kirche hingegen rückt bei Augustin in den Mittelpunkt. „Die Kirche erhebt den Anspruch, Heilsmittler zu sein, und maßt sich damit `ewige` Bedeutung an und macht sich zum Ziel der Entwicklung… Kirche und Gottesreich rücken nahe zusammen, ja gehen ineinander auf“, was biblisch und theologisch falsch ist, so der katholische Theologe Urs Eigenmann (Fußnote 5). In seiner Sicht wurden seit den Kirchenvätern (Augustin) und den ersten Konzilien „transzendente Wahrheiten formuliert, und nicht mehr den Menschen und Propheten Jesus von Nazareth über alles achtet.

8.
In seinen „Retractationes“ (d.h. in dem kritischen Rückblick aufs frühe, eigene Werk) tadelt sich dann Augustin am Ende seines Lebens dann auch noch, dass er in dem genannten Text „de vera religione“ „an Christus die Gewaltlosigkeit gerühmt habe“, berichtet der große Augustinus – Forscher Prof. Kurt Flasch in „Augustin. Einführung in sein Denken“ (Reclam, 1980, Seite 102). „Der späte Augustin rühmt hingegen an Jesus die Gewalt, etwa im Umgang mit den Händlern im Tempel oder bei der Austreibung der Dämonen…(S. 103). Flasch nennt diese Haltung des späten, des alten Augustin, „antihumanistisch“ (ebd.).

9.
Augustinus hat an einer metaphysischen Grundkonzeption des Christentums immer festgehalten, im Sinne von: das Himmlische ist entscheidend, das innere Leben wichtiger als das politische und soziale. Gott wurde vom alten Augustin als Herrscher verstanden, der seine Gnade einigen wenigen Erwählten nach seiner Laune zukommen lässt, den meisten aber diese Gnade verweigert. Weil Gott in der offenbar allwissenden Sicht Augustins so erzürnt ist über die Erbsünde des ersten Menschen im Paradies… Da darf er als Gott total willkürlich handeln. Von Gott als der „höchsten Vernunft“ ist (noch) keine Rede.
Nebenbei: Dass die Erbsündenlehre, von Augustin erfunden, auch eine endlich abzuschaffende Ideologie ist, haben wir mehrfach im Anschluss an die Studien von Prof. Kurt Flasch betont. LINK

10. Geringe Aussichten auf eine Reformation der römischen Kirche
Bleibt das Christentum, bleiben die Kirchen, also Platonismus fürs Volk? Das ist sehr wahrscheinlich bei einem Papst Leo XIV., der sich als „Sohn des heiligen, aber eben neoplatonischen Augustinus“ versteht und der so viel von (plotinisch – augustinischer) EINHEIT schwärmt, die ja nicht universelle Gleichheit aller Menschen meint, sondern immer auch eine Hierarchie bedeutet. Wer an der Spitze der Kirche steht und von Einheit aller schwärmt, das ist der Papst…

Der Augustiner Martin Luther schaut im Himmel hilflos zu angesichts des ewig fortbestehenden Papsttums mit einem letztlich immer noch ungebrochen totalen Anspruch. Auf die Aufhebung des Zölibatsgesetzes wagen  viele KatholikInnen genauso wenig zu hoffen wie auf die umfassende Gleichberechtigung der Frauen in dieser Kirche, etwa die Zulassung zum Priesteramt. Hat Papst Leo in den nun fast 4 Monaten dauernden Regentschaft ein weiterführendes Wort gesagt zur Zulassung von Frauen wenigstens zum Diakonat und zum Priesteramt? Ich vermute nein. Und wird es so bleiben? Ich vermute Ja, denn Augustin,  der “Vater” des Papstes, liebte zwar als junger Mann eine Frau (das gemeinsame Kind hieß Adeodat, “Von Gott gegeben”), aber Augustin vertrieb dann aber seine Frau, als er Katholik wurde … und sah später in den Frauen eher eine zweitrangige Schöpfung.

Fußnote A: ” Papst Leo XIV. betet für die Opfer des Anschlags auf die katholische Schule in Minneapolis/USA. Er sei allen nahe, die von dieser „schrecklichen Tragödie“ betroffen seien, „insbesondere den Familien, die den Verlust eines Kindes zu beklagen haben. So hieß es in einem vom Vatikan veröffentlichten Telegramm an den Erzbischof von Minneapolis, Bernard Hebda. Die Seelen der Verstorbenen vertraue er der Liebe Gottes an.”  ORF Online seit heute, 28.8.2025 9.07 Uhr.

Fußnote 2: Nietzsche hat sich schon früh, etwa in Basel 1869, mit Platon auseinandergesetzt.. 1871 betonte er, „die echte Lust am Wirklichen sei Platon fremd gewesen“… In seinem Spätwerk verschärfte Nietzsche seine Kritik, auch seine Polemik gegen Platon. Er wehrt sich gegen die Metaphysik Platons, nach der Gott die Wahrheit sei, darin „antizipiere Platon das Christentum“. Damit ist eine Perspektive der heftigsten Einwände gegen das Christentum eröffnet, die im „Antichrist“ formuliert werden. Kaum berührt von Nietzsches Haß auf die Kirche als lebensfeindlicher Macht ist hingegen die Gestalt Jesu, die Nietzsche durchaus schätzt.

Fußnote 3: Heinrich Niehues – Pröbsting, in „Die antike Philosophie“, Frankfurt/M. 2004, S.223).

Fußnote 4:
Plotin lehrt: „Ziel alles Verhaltens und Erkennens, auch höchstes sittliches und religiöses Ziel, ist die Schau des Einen… Am höchsten Punkt der plotinischen Philosophie kommt es in der Ruinen Ekstaae der Schau zur Vereinigung (unio mystica) mit dem Einen, Göttlichen und Guten.“ (Zit in Lexikonartikel „Plotin“ in „Metzler Philosophen Lexikon. Stuttgart-Weimar, 2003, S. 563.) Dass der Körper (und die Sexualität) Quelle allen Leids für Plotin ist, kann hier nur angedeutet werden: Deswegen ist ja für ihn die übersinnliche Welt, das Nicht- Materielle, das Wichtigste. In dem genannten Lexikonbeitrag wird auf S. 562 über Plotin berichtet: „Es heißt, wie Porphyrios, der wichtigste Schüler und Biograph Plotins berichtet, dass Plotin sich schämte, ìm Leib zu sein`. Aufgrund dieser Geringschätzung des Leiblichen und Sinnlichen habe sich Plotin geweigert, etwas über seine Herkunft, seine Eltern und seine Heimat zu erzählen.“

Fußnote 5: Urs Eigenmann, zit in: “Der himmlische Kern des Irdischen“, Edition exodus, 2. Aufl. 2025, S. 163.

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